Die Regulierung von Cannabis ist ein globales Thema, das nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen birgt. Insbesondere die Erfahrungen aus den USA und Kanada bieten wertvolle Einblicke für die Entwicklung einer Cannabisregulierung in der Schweiz. Im Jahr 2024 sind mehrere wegweisende Analysen veröffentlicht worden, die sich auf die Regulierungen in Nordamerika beziehen. Diese Erkenntnisse sind essenziell, um eine verantwortungsvolle und nachhaltige Gesetzgebung zu schaffen, die sowohl wirtschaftliche Vorteile als auch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleistet.
USA: Regulierung zwischen Innovation und Gesundheitsrisiken
Der Bericht der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine beleuchtet die komplexen Auswirkungen der Cannabislegalisierung in den USA. Über die Hälfte der Bundesstaaten hat Cannabis für medizinische oder freizeitliche Zwecke legalisiert, was zu einer enormen wirtschaftlichen Dynamik geführt hat. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung erhebliche Schwachstellen auf:
- Die Regulierung von Produkten mit hohem THC-Gehalt ist uneinheitlich und in den meisten US-Bundesstaaten nur begrenzt wirksam. Es fehlen standardisierte Grenzwerte oder Qualitätskontrollen, um potenzielle Schäden durch hochpotente Produkte zu minimieren.
- Die zunehmende Vermarktung von THC-reichen Produkten und synthetischen Cannabinoiden ist ein zentrales öffentliches Gesundheitsrisiko. Besonders Jugendliche und Schwangere sind gefährdet.
- Historische Ungleichheiten aufgrund der früheren Kriminalisierung belasten noch immer benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Zielgerichtete Massnahmen sind nötig, um soziale Gerechtigkeit zu fördern.
- Generell ist eine Zunahme der Konsumprävalenz seit 2013 belegt. Bei Jugendlichen blieb der Konsum von 2013 bis 2022 weitgehend konstant.
Empfehlungen für den US-Kongress
Eine einheitliche nationale Regulierung soll den Handel und Konsum sicherer gestalten und ein verstärkter Fokus auf die Regulierung, Forschung und öffentliche Aufklärung ist notwendig, um die Risiken hoher THC-Gehalte zu minimieren. Notwendig sind verstärkte Aufklärungskampagnen durch Institutionen wie die Centers for Disease Control and Prevention (CDC).Zudem wird eine verpflichtende Schulung von Personal in Cannabisgeschäften empfohlen, um den Missbrauch zu minimieren. Der Bericht empfiehlt dem Kongress zudem, die Definition von „Hanf“ zu präzisieren, um eine Vermarktung von Produkten mit potenziell schädlichen synthetischen Cannabinoiden zu verhindern.
Bildquelle: Cannabis Policy Impacts Public Health and Health Equity (2024), Seite 18.
Kanada: Ein Pionier mit Licht und Schatten
Im März dieses Jahres wurde ein Bericht veröffentlicht, der die Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung in Kanada umfassend untersuchte. Als Pionier-Staat der Legalisierung von Cannabis hat Kanada im Jahr 2018 eine blühende Milliarden-Dollar-Industrie geschaffen. Derzeit geben die Kanadier mehr als 5 Milliarden Dollar pro Jahr für legales Cannabis aus.
Die Untersuchung offenbart, dass kleine und mittelgrosse Cannabisproduzenten nicht in dem Masse von der Legalisierung profitieren, wie erhofft wurde. Es wurde auch festgestellt, dass grosse Unternehmen in der Branche einen deutlichen Wettbewerbsvorteil geniessen. Sie können sich teure Marketing- und Vertriebsstrategien leisten, was es den kleineren Unternehmen schwer macht, sich zu etablieren.
Trotz stabiler Konsumraten unter Jugendlichen ist Kanada mit einer der weltweit höchsten Konsumquoten in dieser Altersgruppe konfrontiert. Besorgniserregend ist auch der Anstieg von Notfällen, die auf hochpotente THC-Produkte zurückzuführen sind.
Belegt ist eine steigende Nutzung von Cannabisprodukten mit höherer Potenz. Zwei aktuelle Studien zeigen einen Anstieg der Notaufnahmebesuche und Krankenhausaufenthalte aufgrund von cannabisbedingten Psychosen. Diese Ereignisse fallen mit der Expansion des kommerziellen Einzelhandels und der Einführung neuer Klassen von Cannabisprodukten zusammen, wie z.B. Cannabisextrakten, essbarem Cannabis. Weitere Forschung ist nötig, um den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Cannabisprodukten mit höherer Potenz und den damit verbundenen Gesundheitsschäden zu verstehen.
Neben deutlicher Kritik der Experten gibt es auch sehr positive Aspekte und eine Reihe von Empfehlungen im Bericht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse erhebliche Fortschritte bei mehreren wichtigen Zielen erzielt wurden. Die Schaffung eines Lizenzrahmens für eine legale Cannabisindustrie hat erwachsenen Verbrauchern eine qualitätskontrollierte Versorgung mit einer Vielzahl von Produkten ermöglicht. Es gab stetige Fortschritte bei der Verlagerung erwachsener Konsumenten auf den legalen Markt und den Regeln für Werbung, Verpackung und Kennzeichnung, einschliesslich des Verbots von gesundheitsbezogenen Aussagen, wurden weitgehend eingehalten. Die Schaffung eines legalen Marktes hat die Zahl der Anklagen wegen Cannabisbesitzes um 95 % gesenkt. Auch die Qualitätssicherung und die Regulierung von Werbung und Verpackung sind Beispiele für gelungene Massnahmen.
Der mit abstand häufigste Grund für den Erwerb von Cannabisprodukten im legalen Markt ist die Sicherheit der Produkte.
Lehren für die Schweiz: Balance zwischen Regulierung und Freiheit
Die Erfahrungen aus den USA und Kanada verdeutlichen, dass eine Cannabisregulierung auf einer ausgewogenen Strategie basieren muss.
Essenziell für eine erfolgreiche Regulierung sind folgende Punkte:
- Klare Definitionen und Richtlinien für die Produkte und Vermarktung, umfassende Aufklärungskampagnen und ein starker Fokus auf Gesundheits- und Jugendschutz sollten Kernpunkte der Schweizer Regulierung sein.
- Ein fairer Wettbewerb muss durch gezielte Förderprogramme und Marktzugang für kleinere Unternehmen unterstützt werden.
- Einheitliche Standards sind essenziell, um regionale Unterschiede («Kantönligeist») zu minimieren und die öffentliche Gesundheit landesweit zu schützen.
- Der Aufbau eines Monitoring-Systems, das Daten zu Anbau, Verkauf und Konsumverhalten sammelt, kann als Basis für fortlaufende Verbesserungen der Gesetzgebung dienen.
- Die Legalisierung sollte auch darauf abzielen, die sozialen Ungleichheiten der Vergangenheit zu beheben, etwa durch die Rehabilitierung von Personen mit Vorstrafen wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz.
Fazit: Eine Chance für verantwortungsvolle Regulierung
Die Schweiz steht vor der historischen Möglichkeit, von den Erfahrungen der Pioniere der Cannabisregulierung zu lernen und eine fortschrittliche Cannabisgesetzgebungen zu schaffen. Eine evidenzbasierte, soziale und wirtschaftlich ausgewogene Regulierung kann dazu beitragen, gesundheitliche Risiken zu minimieren, soziale Gerechtigkeit zu fördern und gleichzeitig das Potenzial der Hanfindustrie zu nutzen.
Als IG Hanf Schweiz setzen wir uns dafür ein, diesen Weg aktiv mitzugestalten und die Erfahrungen aus den USA und Kanada in einen erfolgreichen Schweizer Kontext zu übertragen.
Quellen:
What are the lessons from America’s great cannabis liberalisation experiment?
Download: Cannabis Policy Impacts Public Health and Health Equity | The National Academies Press
Legislative Überprüfung des Cannabisgesetzes: Abschlussbericht des Expertengremiums – Canada.ca