Positionspapier zu nicht psychotropen cannabinoidhaltigen Produkten (V1, Februar 2024)

Nicht psychotrope Cannabinoid-haltige Produkte

Nicht psychotrope cannabinoidhaltige Produkte werden aufgrund ihrer potenziellen gesundheitlichen Vorteile zunehmend populär. Diese Hanfprodukte enthalten keine oder nur geringe Mengen des berauschenden Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (< 1 % THC) und haben keine psychotropen Effekte. Sie können geraucht oder vaporisiert werden und als Tabakprodukte für den oralen Gebrauch vermarktet werden. Ebenso ist die Vermarktung als Rohstoff, Kosmetika, Arznei- und Lebensmittel möglich.

Die Schweiz zeigte lange Zeit grossen Pioniergeist im Bereich der nicht psychotropen cannabinoidhaltigen Produkte. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern war die Schweiz führend, indem sie den Handel mit Produkten, die bis zu 1 % THC enthalten, erlaubte. Diese progressive Haltung spiegelte den Innovationsgeist des Landes wider und ebnete den Weg für Entwicklungen in der Cannabisbranche.

Die einstigen Wettbewerbsvorteile in Bezug auf Standort und Innovation wurden mittlerweile durch die steigenden Arbeits- und Standortkosten aufgeholt. Die Tschechische Republik hat den THC-Grenzwert ebenfalls auf 1 % angehoben. Die Niederlande und andere europäische Staaten tolerieren den Verkauf von cannabinoidhaltigen Produkten als Nahrungsergänzungsmittel, während dies in der Schweiz bisher nicht gestattet ist. Der grenzüberschreitende Onlinehandel verstärkt zusätzlich den Druck auf den Schweizer Markt.

Der Schweizer Markt für nicht psychotrope Cannabinoid-haltige Produkte ist nach einem temporären Aufschwung akut gefährdet, aufgrund von komplexen Vollzugsbedingungen und anderen negativen Marktbedingungen, wie Preisdruck durch Importe, unbedeutend zu werden. Eine ähnliche Dynamik zeigt sich im Bereich des medizinischen Cannabis. Auch hier gerät die inländische Produktion aufgrund von Importen und komplexen rechtlichen Auflagen stark unter Druck.

Anlass der Positionierung

Die neuste Version der Vollzugshilfe[1] für Produkte mit Cannabidiol (CBD) und anderen nicht psychoaktiven Cannabinoiden, beklagt einen unkontrollierten Anstieg an Produkten mit Cannabinoiden auf dem Schweizer Markt. Es gibt Bedenken hinsichtlich irreführender Werbung, uneindeutiger Produktangebote und der Nichteinhaltung rechtlicher Vorgaben bezüglich des beabsichtigten Verwendungszwecks. Insbesondere werden Produkte häufig unter dem Chemikalienrecht vertrieben, obwohl sie zur Einnahme bestimmt sind und lediglich Sicherheitsstandards von Reinigungsprodukten erfüllen.

Dieser Zustand ist bedauerlich und steht nicht im Einklang mit den Werten einer verantwortungsbewussten und innovativen Branche, die die Interessen der Schweizer KMU vertritt. Die Vielzahl der laufenden Verfahren belastet Marktteilnehmer und bindet unnötige Behördenressourcen. Es ist dringend erforderlich, diese Problematik anzugehen und für Klarheit sowie eine einheitliche Umsetzung zu sorgen. Die unklare Rechtslage und die inkonsistente Durchsetzung sind unbefriedigend, sowohl für Verbraucher als auch für die Händler und die Vollzugsbehörden.

Die Regulierung von nicht psychotropen cannabinoidhaltigen Produkten hätte folgende Vorteile:

Schaffung von Rechtssicherheit für die Händler von Cannabisprodukten mit weniger als 1 % THC.

Die kantonalen Unterschiede in der Vollzugspraxis können reduziert werden.

Eine klare Regulierung gewährleistet die Sicherheit von nicht psychotropen Cannabinoid-haltigen Produkten für Verbraucher, indem sie die Qualität und Reinheit sicherstellt.

Ein klarer Rechtsrahmen fördert die Integrität des Marktes, indem er unlautere Geschäftspraktiken und den Verkauf minderwertiger Produkte bekämpft.  

Regulierungsbedarf bei nicht psychotropen cannabinoidhaltigen Produkten

Bislang fehlt in der Schweiz ein klar definierter Regulierungsrahmen für nicht psychotrope cannabinoidhaltige Produkte ausserhalb des Tabakgesetzes. Inhaltsstoffe der Cannabispflanze sind mit Verboten belegt und werden seit der Prohibition fälschlicherweise als gesundheitsgefährdend und unberechenbar eingestuft. Dies ist nicht zuletzt auf eine veraltete Definition von Cannabis zurückzuführen, welche auf das Einheits-Übereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel (vgl. Art. 1 lit. b EHÜ)[2] zurückgeht.

Ein bemerkenswertes Beispiel war das Verbot von Cannabisharz / Haschisch mit weniger als 1 % THC aufgrund vermeintlicher Gefahren, die von Cannabisharz / Haschisch ausgehen. Es ist zu begrüssen, dass dieser Missstand im Jahr 2022 auf gesetzlicher Ebene angepasst wurde, was für die Marktteilnehmer eine grosse Erleichterung darstellt und einem klaren Kundenbedürfnis entspricht.

Eine längst überfällige Regulierung und eine angemessene Durchsetzung sind entscheidend, um die Sicherheit von Cannabisprodukten für Verbraucher zu gewährleisten. Ein klarer rechtlicher Rahmen schafft Vertrauen, fördert die Entwicklung einer nachhaltigen und verantwortungsbewussten Branche und entlastet gleichzeitig die zuständigen Kontrollorgane.

Die folgenden Aspekte für eine sinnvolle Cannabisregulierung sollte der Gesetzgeber und der Vollzug berücksichtigen:

1. Arzneimittel die nicht psychotrope Cannabinoide enthalten

In der Praxis der Apotheken ist Cannabis eher ein neues Phänomen, nachdem es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weit verbreitet war. Es fehlt heute oftmals spezifisches Wissen bei den Ärzten und Medizinalpersonen. Die Abgabe von Magistralrezepturen (Formula Magistralis) mit Cannabinoiden wird wegen der hohen Hürden kaum praktiziert. Zugelassene Arzneimittel mit Cannabis gibt es sehr wenige. Eine Liberalisierung von Cannabis z.B. durch eine neue Klassifizierung im Betäubungs- und Arzneimittelrecht, die Standardisierung in den Arzneibüchern und weitere Massnamen könnten ermöglichen, dass nicht psychotrope Cannabinoid-haltige Produkte bei leichten Befindlichkeitsstörungen rezeptfrei für medizinische Zwecke eigesetzt werden könnten.

2. Kosmetika die nicht psychotrope Cannabinoide enthalten

CBD und andere nicht psychotrope Cannabinoide wurden von der EU-Kommission kürzlich als kosmetische Bestandteile in die Datenbank «Cosmetic Ingredients Database» (kurz: CosIng) aufgenommen. Dennoch wird die Vermarktungsmöglichkeit als Kosmetik von den Behörden nach wie vor erschwert. CBD / Cannabinoide dürfen nur in kosmetischen Produkten verwendet werden, wenn sie aus bestimmten Teilen (Blättern und Stängel) der Hanfpflanze stammen. Synthetisches CBD darf hingegen in Kosmetika ohne weitere Einschränkungen gemäss den geltenden Richtlinien verwendet werden.[3] Diese Betrachtungsweise ist spätestens seit dem wegweisenden Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-663/18[4] im Jahr 2020 überholt. Die Bestandteile der Cannabispflanze sollten unabhängig von der Art ihrer Gewinnung als zulässige Kosmetikinhaltstoffe anerkannt werden.

3. Lebensmittel die nicht psychotrope Cannabinoide enthalten

Der Grenzwert für THC in Lebensmitteln ist so niedrig (1 mg / kg für pflanzliche Lebensmittel), dass er von den Marktteilnehmern kaum eingehalten werden kann. Eine moderate Erhöhung des THC-Grenzwertes auf mindestens 5 mg / Kg für pflanzliche Lebensmittel in der Verordnung des EDI über die Höchstgehalte für Kontaminanten (Kontaminantenverordnung[5]) könnte gemäss dem aktuellen Stand der Wissenschaft[6] vorgenommen werden, ohne die Gesundheit der Konsumenten durch eine mögliche Rauschwirkung zu gefährden. Die Festlegung von Grenzwerten für die orale Aufnahme von nicht psychotropen Cannabinoiden muss basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und im Rahmen der Verordnung über neuartige Lebensmittel vorgenommen werden.

4. Tabakprodukte die nicht psychotrope Cannabinoide enthalten

Cannabis muss gemäss dem Bundesamt für Gesundheit gemeldet und als Tabak deklariert werden, wenn Produkte geraucht oder verdampft werden können. Somit muss prinzipiell jedes pflanzliche Material (insbesondere Blüten und Trimm) beim Verkauf an Endkunden als Tabak deklariert werden. Dies widerspricht der klaren Rechtsprechung des Bundesgerichts[7]. Bei Cannabisblüten handelt es sich, auch wenn sie unter anderem geraucht werden, um ein Produkt mit speziellen Eigenschaften, welches zu Tabakprodukten nicht in einem Substitutionsverhältnis steht.

Wie kann eine zukünftige Regulierung von nicht psychotropen cannabinoidhaltigen Produkten erfolgreich umgesetzt werden?

Aktuell arbeitet die Subkommission «Cannabisregulierung» an einem Entwurf für ein Cannabisgesetz (parlamentarische Initiative Siegenthaler, 20.473[8]). Dabei soll eine Regulierung von Hanfprodukten angestrebt werden, welche die verschiedenen Erscheinungsformen und die besonderen Eigenschaften von Hanf berücksichtigt.

  • In der geplanten Cannabisgesetzgebung kann unter Beibehaltung des derzeitigen THC-Grenzwerts weiterhin zwischen Produkten mit niedrigem und hohem THC-Gehalt unterschieden werden.[9]
  • Produkte mit niedrigem THC-Gehalt können in der Spezialgesetzgebung von den betäubungsmittelrechtlichen Kontrollen ausgenommen werden. Für solche Produkte könnte eine Meldepflicht vorgesehen werden.
  • Fragen der Produktsicherheit, die Anforderungen an die gute Herstellungspraxis und die Rahmendbedingungen der Abgabe sollten einheitlich für alle Cannabisprodukte geregelt werden. Die IG Hanf hat mit dem Label «Swiss Certified Cannabis (SCC[10])» die benötigten Prozesse (Schulung, Audit und Kontrolle, Laboranalysen, Ringversuche) eingeführt und grosse Erfahrung bei der Qualitätssicherung von Cannabisprodukten aufgebaut.
  • Es muss eine praktikable Abgrenzung zwischen THC-armen-Produkten zur medizinischen Anwendung und nicht-medizinischen Anwendung etabliert werden.
  • Produkte mit weniger als 1 % THC sollten nicht mit einer Sondersteuer belegt werden.

Über die IG Hanf Schweiz

Die IG Hanf ist der Branchenverband der Schweizer Cannabisindustrie und vertritt seine Mitglieder bei Politik, Behörden und in der Öffentlichkeit. Ihre Mission ist es, Cannabis nachhaltig in der Gesellschaft zu etablieren und einen regulierten Cannabismarkt zu schaffen.

Das vorliegende Positionspapier wurde vom Vorstand der IG Hanf am 14. Februar 2024 freigeben.


Positionspapier zu nicht psychotropen cannabinoidhaltigen Produkten – V1, Februar 2024


Quellenangaben                                                                   

[1] Produkte mit Cannabidiol (CBD) und anderen Cannabinoiden, die nicht dem Betäubungsmittelrecht unterliegen Überblick und Vollzugshilfe Stand am 02.11.2023 (sechste, aktualisierte Version)

[2] Art. 1 lit. b Einheits-Übereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel, in Kraft getreten für die Schweiz am 22. Februar 1970 (Stand am 10. November 2016), SR 0.812.121.0

[3] Vollzugshilfe V6 / 2023-11 / S. 12

[4] Luxemburg, den 19. November 2020, Urteil in der Rechtssache C-663/18

[5] Verordnung des EDI über die Höchstgehalte für Kontaminanten (Kontaminantenverordnung, VHK) vom 16. Dezember 2016 (Stand am 1. Juli 2020) SR 817.022.15

[6] Grenz- und Richtwerte für THC (Tetrahydrocannabinol) in hanfhaltigen Lebensmitteln Analyse und Bewertung der Stellungnahme des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vom 8. November 2018. „Tetrahydrocannabinolgehalte sind in vielen hanfhaltigen Lebensmitteln zu hoch – gesundheitliche Beeinträchtigungen sind möglich“. Nr. 034/2018. Autoren: Dr. rer. nat. Pia Skoczinski, Michael Carus, Dr. med. Franjo Grotenhermen Dr. rer. nat. Bernhard Beitzke, Daniel Kruse

[7] BGer 2C_348/2019 vom 29.01.2020

[8] 20.473 | Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz | Geschäft | Das Schweizer Parlament

[9] S. 42 Rechtssicherheit bei Produktion, Handel und Gebrauch von Hanf/Cannabisprodukten Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 21.3280 Minder vom 18. März 2021, Bern, 1. November 2023

[10] IG Hanf – Swiss Certified Cannabis (swiss-certified-cannabis.ch)


Lukas Brunner
Author: Lukas Brunner