
Der Hanfverzehr wird vielfältiger
Zunächst startete die Grow Factory nur als Zulieferer für andere Produzenten. Denn eigene Produkte auf den Markt zu bringen, erfordert laut Castioni schnell Investitionen von 20000 bis 30000 Franken. Dieses Jahr haben die beiden nun ihre ersten Produkte lanciert und bieten neben den klassischen Blüten auch Öle und Liquids für E-Zigaretten an. «Wir verkaufen derzeit am meisten Öle», sagt Castioni. Ihr Anwendungsbereich sei am breitesten, während Rauchwaren eine Minderheit ansprechen und gesellschaftlich an Beliebtheit einbüssen.
Die persönliche Hanfpflanze
Künftig will Castioni auch verstärkt auf mit CBD-Hanf versetzte Lebensmittel setzen. So stehe die Entwicklung eines CBD-Tees oben auf der Prioritätenliste. Leckere CBD-Esswaren zu produzieren, ist gar nicht so einfach. Denn der Hanf hat einen hartnäckigen, bitteren Nachgeschmack, wie ein Selbsttest zeigt. «Bei den meisten sogenannten Edibles geht es darum, dass das CBD wirkt, aber der Hanfgeschmack im Hintergrund bleibt.»
Eine weitere Neuheit sind persönliche Hanfpflanzen: Kunden bezahlen im Voraus für ihre eigene Pflanze und erhalten nach der Ernte ihren Ertrag. Beim Cannabisrauchen sei der Genuss viel wichtiger als bei Zigaretten, der Konsum habe etwas Persönliches, sagt Castioni. Kameras in allen Räumen ermöglichen den Kunden, die Pflege ihrer Pflanzen mitzuerleben. «So können die Menschen sehen, dass wir wirklich für ihr Geld arbeiten.» Die Idee zur persönlichen Pflanze sei ihm gekommen, als er im italienischen Fernsehen ein ähnliches Prinzip mit Olivenbäumen gesehen habe.
Der Drang nach neuen Produkten und Ideen hänge auch damit zusammen, dass der Markt für Rauchwaren mehrheitlich gesättigt sei, sagt Marco Kuhn vom Schweizer Cannabis-Verband IG Hanf (siehe Kasten). «Der Preis für ein Kilogramm legales Hanf ist von 6000 Franken Anfang 2017 auf rund 1000 Franken gefallen», sagt Castioni. Mittlerweile habe er sich bei rund 1500 Franken eingependelt. Um mit CBD-Hanf weiterhin Geld verdienen zu können, dürfte der Preis nicht viel tiefer fallen.
«Wenn man sich selbstständig macht, wird man nicht von heute auf morgen reich», sagt Castioni, der mit seiner Frau und zwei Kindern letztes Jahr von Dietikon nach Rudolfstetten gezogen ist. Zwar habe er immer noch keinen regelmässigen Lohn und arbeite viel mehr als früher, auch häufig an Wochenenden. Doch er bereue den Schritt keineswegs. «Ich würde es jederzeit wieder machen. Ich liebe die Arbeit.» Weil er viel flexibler arbeite und administrative Tätigkeiten zu Hause in seinem Büro erledige, habe er mehr Zeit für seine Kinder und könne auch tagsüber für sie da sein. Finanziell stehe die Firma nach harzigem Start auf guten Beinen. «Nach einem halben Jahr Eigenproduktion stehen wir fast vor der schwarzen Null», sagt er.
Ventilatoren und klassische Musik
Vom Setzen der neuen Pflanzen bis zur Ernte vergehen in der Regel zehn Wochen, erzählt Castioni. Auf die zwei Wochen Wachstum folgt die rund achtwöchige Blütephase. Neben ihm und seinem Geschäftspartner kümmern sich drei Personen im 50-Prozent-Pensum um das Wohl der Pflanzen. Eine gute Pflege sei essenziell. «Bei jedem kleineren Fehler kann von den rund 40 Gramm Ertrag pro Pflanze schnell ein halbes Gramm verloren gehen», sagt Castioni. Deshalb wird die Plantage täglich minutiös gereinigt, gegossen und gedüngt. Die vielen Ventilatoren in den Räumen sorgen für eine gute Durchlüftung und aus den Boxen ertönt klassische Musik. «Es gibt Studien, die sagen, die Musik stimuliere die Pflanzen. Und auch wenn es nichts nützt, so schadet es sicher nicht», sagt Castioni.
Regelmässige Kontrollen durch die Polizei
Zwei bis drei Mal pro Jahr erhält die Plantage Polizeibesuch. «In Dietikon haben wir in der Drogenfahndung einen sehr guten Polizisten», sagt Castioni. Die Kontrollen verliefen immer reibungslos und der Austausch mit den Polizisten sei positiv. Melden sich die Ordnungshüter für Stichproben an, müsse er innerhalb von zwei Stunden Zugang zur Plantage gewähren. Einmal habe er wegen seiner Kinder nicht von zu Hause weggehen können, da seien die Polizisten einfach zu ihm gekommen, um den Schlüssel abzuholen. Selbst musste er die Polizei noch nie rufen; Opfer von Dieben wurde die Grow Factory bisher nicht.