CBD-Händler geraten unter Druck

Ab Herbst müssen Apotheken, Drogerien und Fachgeschäfte den Verkauf von geniessbarem CBD-Öl einstellen. Für viele Hanfläden ist das existenzbedrohend. Doch die Branche sieht bereits einen Ausweg.
(Landbote; Jonas Keller – 18.08.2022)

Das Geschäft mit dem CBD-Hanf boomt: Das zeigen die Verkaufszahlen des Branchen-Schwergewichts Koch & Gsell. 80’000 Päckchen reine Hanfzigaretten hat die am Bodensee angesiedelte Firma mit ihrer Marke Heimat letztes Jahr verkauft. Dazu 200’000 Päckchen Tabak-Hanf-Zigaretten sowie fast 100’000 Beutel CBD-Blüten – ein Drittel mehr als im Vorjahr.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Topfpflanzen: «Die CBD-Hanfpflänzchen sind seit einigen Jahren sehr beliebt bei uns», heisst es beim Pflanzenladen Veg and the City in der Winterthurer Altstadt. Die Kundschaft sei breit gefächert. Der Hanf kam, CBD sei Dank, in Windeseile in der Mitte der Gesellschaft an. Doch für spezialisierte Hanfläden ist das ein zweischneidiges Schwert.

Kiosk wird zur Konkurrenz

«Ich weiss nicht, wie dieses Geschäft in der Schweiz noch funktionieren soll», sagt der Winterthurer David Jenter. Seit 2019 führt er den Onlineshop CBDBro für CBD-haltige Öle und Hanfblüten. Nun steht er kurz davor, sein Geschäft aufzugeben. Für Kleine, so Jenter, bleibe momentan kaum noch etwas übrig. Den Markt teilen sich die Grossen auf. Auch solche, bei denen der Hanf nicht zum Kerngeschäft gehört.
«Man kann inzwischen an jedem Kiosk Hanfzigaretten kaufen», sagt Jenter.

Dass er seine Waren nur online vertreibt, spart ihm zwar Miete und Lohnkosten. Doch: «Wer bei Google nicht zuoberst erscheint, existiert eigentlich gar nicht.» Für eine dauerhafte Top-Platzierung fehle ihm als Kleinbetrieb das Geld.

Die Kosten sind aber nur das eine Problem beim Onlinevertrieb. «Google-Anzeigen schalten geht kaum», sagt Peter Birchler, der seit fünf Jahren die Hanftheke in Winterthur-Tössfeld führt. «Für Google ist CBD-Hanf eine ‹Freizeitdroge›. Darum kann man dort gar keine Werbung dafür buchen.» Die Anbieter von Kreditkarten würden zudem das Onlinegeschäft mit dem CBDHanf blockieren. Zur Verfügung stünden dafür nur Twint und Postfinance. «Und das, obwohl wir völlig legal geschäften.»

Unsicherheit bei THC-Obergrenze

Fast die Hälfte des Umsatzes der Hanftheke machen CBD-Öle aus. Doch immer mehr davon musste Birchler im letzten Jahr aus dem Sortiment nehmen. Der Grund: Hersteller überschritten teilweise die THC-Obergrenze. Der Gehalt muss grundsätzlich unter einem Prozent liegen, damit die Ware nicht als Betäubungsmittel gilt – dieser Wert gilt auch für Hanfblüten.

Gemäss dem Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner werden CBD-Öle allerdings nach einem viel tieferen Grenzwert von 0,0001 Prozent THC bewertet, wenn der Eindruck bestehe, dass diese zur mündlichen Einnahme beworben und verkauft würden. Da zu viel THC in  Lebensmitteln als gesundheitsgefährdend gilt, sei in solchen Fällen in der Regel ein Rückruf angezeigt, so Brunner. Als Lebensmittel zugelassen sind CBD-Produkte bislang allerdings nicht, die Beurteilung von Fall zu Fall obliegt dem jeweiligen Kantonslabor.

Für den Geschäftsführer der Hanftheke ist das unverständlich: «Wir dürfen die Produkte nicht als Lebensmittel verkaufen, und trotzdem wird der THCGehalt wie bei Lebensmitteln beurteilt.» Die Grenze von 0,0001 Prozent sei zudem viel zu tief: «Bei einem Naturprodukt kommen solche Schwankungen vor», sagt Birchler. «Trotzdem kann ich nichts mehr riskieren, denn jeder Produkterückruf verunsichert unsere Kunden.» Und nun droht bereits der nächste Schlag: Das Öl soll ganz aus den Läden verschwinden.

Das Ende des CBD-Öls?

Dass CBD als «neuartiges Lebensmittel» gar nicht zum Konsum verkauft werden darf, umgingen die meisten Hersteller lange. Sie vertrieben die Produkte als Duftöle mit Vermerk «Nicht zur Einnahme bestimmt». Die Kunden träufeln sich die Tropfen natürlich trotzdem auf die Zunge. Doch damit ist bald Schluss: CBD-Öle müssen gemäss Beschluss des Bundes ab Oktober vergällt sein – also mit Stoffen versetzt, die sie ungeniessbar machen.

Weiterhin möglich wäre der Verkauf als Heilmittel. Gemäss der Zulassungsund Kontrollbehörde Swissmedic gibt es bislang aber keine als Heilmittel zugelassenen CBD-Öle. Faktisch werden seriell produzierte CBD-Öle damit ab Oktober auch in Apotheken und Drogerien nicht mehr erhältlich sein.

Überrumpelte Apotheke

Bei der Toppharm-Apotheke in Winterthur-Wülflingen, die wie viele andereCBD-Öle im Angebot führt, zeigt man sich überrascht. Geschäftsführerin Claudia Fäh sagt, man sei bislang nicht über die Vergällungspflicht informiert gewesen. «Selbstverständlich werden wir uns daran halten müssen», sagt sie. «Es wird aber Kunden geben, die darüber nicht glücklich sein werden.»

Weiterhin möglich ist gemäss Swissmedic die individuelle Herstellung von CBD-Öl für bestimmte Kunden – allerdings nur auf ärztliches Rezept. Ob man diesen Aufwand auf sich nehmen werde, kann Fäh noch nicht sagen. «Ich wüsste im Moment noch gar nicht, wie wir an diese Ausgangsprodukte kommen.»

Gar nicht mehr an die Ausgangsstoffe kommen künftig Drogerien. «Wenn Öle nur auf ärztliches Rezept erhältlich sind, können wir diese nicht herstellen», sagt Silja Meier, Inhaberin der Drogerie Meier in Oberwinterthur. «Wir verkaufen die Öle gemäss den geltenden Gesetzen, solange es geht – die Nachfrage ist da», sagt sie.

Während die Apotheken und Drogerien ihre ersten Erfahrungen mit der Launenhaftigkeit des Hanfgeschäfts machen, war der Vergällungs-Entscheid für die alten Hasen im Geschäft keine Überraschung. «Der Bund sagt, es gehe um Lebensmittelkontrolle», sagt Roman Bärtschi, seit 25 Jahren Inhaber des Winterthurer Hanfladens Tamar. «Doch wir kennen das schon: In Wahrheit geht es um Hanfkontrolle.» Das Misstrauen in der Branche gegenüber dem Staat ist gross: Wie viele andere auch, mit denen diese Zeitung gesprochen hat, vermutet
Bärtschi Pharma-Lobbyismus hinter dem schärferen Umgang mit CBDÖl.

Mit seinen fünf Filialen – darunter eine für E-Zigaretten und eine für den Pflanzenanbau – ist Tamar etwas weniger betroffen, wenn CBD-Öl ab Oktober höchstens noch zum Einreiben taugt. Doch auch bei Bärtschi machen die Öle zwischen fünf und zehn Prozent des Umsatzes aus. Und auch er wird die Öle in etwas mehr als einem Monat aus dem Regal nehmen müssen: «Es wird wohl nicht lange dauern, bis die ersten Kontrollen kommen», so Bärtschi.

Klar ist für ihn aber: Die Hersteller werden nicht so einfach aufgeben. «Es wird Ersatzprodukte geben», sagt Bärtschi. Ein Ölproduzent habe zum Beispiel angekündigt, künftig auf CBD-haltige Mundsprays zu setzen. «Auch das wird der Bund dann wohl wieder bekämpfen», so Bärtschi. «Die Branche kauft sich damit aber wohl wieder ein oder zwei Jahre Zeit.»

Ein Hersteller aus dem Kanton Zürich, der nicht genannt werden will, bestätigt diese Pläne. «Wir werden unsere Produkte künftig als Kosmetik deklarieren », heisst es dort. Das Kundenschreiben eines anderen Produzenten präsentiert dieselbe «rechtlich abgesicherte» Lösung.

Allerdings bringt dieser Ansatz neue Probleme mit sich: Kosmetika dürfen gemäss Vorgaben des Bundes kein CBD aus Blüten oder Harz des Hanfes enthalten, sondern nur solches aus Blättern oder synthetisch hergestelltes. Der Grund: Harz und Blüten seien «reich an Cannabinoiden» wie THC.

Chemiker Dr. Miguel Guttentag vom Analyselabor CBD-Test hat dafür kein Verständnis: «Die Begründung ist fadenscheinig. Es sind in den Blättern die gleichen Stoffe enthalten wie in den Blüten – nur in geringeren Mengen.» Am THC-Gehalt des Endprodukts ändere die Vorgabe also nichts. Sie mache die Herstellung aber ineffizienter und unökologischer: «Für die gleiche Menge des Endprodukts werden künftig mindestens zehnmal so viel Pflanzenmaterial und Lösemittel gebraucht.» Auf synthetisches CBD werde aber wohl kaum ein Hersteller setzen, so Guttentag – weder wolle die Branche dies, noch sei es auf dem Schweizer Markt erhältlich.

Warten auf Europa

Auch beim Branchenverband IG Hanf unterstützt man die Lösung mit der Neudeklaration als Kosmetika. Ein eigens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten stütze diese Vorgehensweise, sagt Philippe Wietlisbach, KMU-Verantwortlicher der IG. «Es handelt sich dabei um eine Zwischenlösung», so Wietlisbach. «Glücklich sind wir nicht damit.» Es sei aber der einzige Weg, wie die Branche mit ihren Hunderten Läden und Tausenden Angestellten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben weiter bestehen könne.

Mittelfristig hofft Wietlisbach auf die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). «Der europäische Hanfverband hat mehrere Studien in Auftrag gegeben, um die Sicherheit von CBD als Lebensmittel zu untersuchen.» Beendet die EFSA den Status von CBD als «neuartiges Lebensmittel», wäre es auch in der Schweiz zum Konsum zugelassen. «Diese einheitliche Lösung ist dringend nötig, um die momentane Rechtsunsicherheit zu beenden», sagt Wietlisbach.

Keine Hoffnung auf Legalisierung

Für die Hanfläden ist das immerhin ein Lichtschimmer am Horizont. In den seit Jahrzehnten beschworenen Sonnenaufgang, die vollständige Cannabis-Legalisierung, setzen sie dagegen keine grosse Hoffnung. Zwar sind in Städten wie Zürich, Basel und auch Winterthur derzeit Versuchsprojekte zum legalen Verkauf von THC-haltigem Cannabis geplant. Doch die Hanfläden bleiben dabei aussen vor.

In Basel kommen Apotheken als Verkaufsstellen zum Zug. In Zürich werden dafür neben Apotheken voraussichtlich auch spezielle Lokale, bei denen nur Mitglieder einkaufen können, als Abgabestellen dienen. Ein Geschäft lasse sich damit nicht machen, so Sven Schendekehl vom Verein «Legalize It!». Dieser wird voraussichtlich eines der Zürcher Lokale betreiben – mehrheitlich finanziert durch Spenden.

Das BAG soll in den kommenden Monaten über den Zürcher Versuch entscheiden. Ob Winterthur, wie vom Stadtrat gewünscht, sich daran beteiligen kann, ist weiterhin offen – die für den Versuch zuständige Psychiatrische Universitätsklinik kann nach wie vor noch nicht  abschätzen, ob sie die Kapazität hat, das Zürcher Projekt auf Winterthur auszuweiten.

(Quelle; Landbote – Link: https://www.landbote.ch/cbd-haendler-geraten-unter-druck-789420437309)